Christen glauben, dass Gott mit der Welt in einer ständigen Verbindung steht, dass es Gottes Geist ist, der jeden einzelnen beseelt und lebendig macht. In Gedanken, in Gefühlen, im Tun und Lassen von Menschen finden sich Spuren von Gottes Handeln. Zu erkennen, was von Gott kommt und was nicht, nennt die Tradition die Unterscheidung der Geister.
Wenn Gott wirklich zu mir sprechen will, müsste er dann nicht in meiner Sprache, in meinen ureigenen Worten und meinen Gefühlen sprechen, damit ich ihn wirklich verstehe? – Dann ist es aber schwer zu erkennen, was Gott mir sagt.
Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens, hat nach einer intensiven Auseinandersetzung mit den Geschichten der Bibel eine Art Verfahren entwickelt, mit dem man die eigenen Gedanken in einer Entscheidungssituation prüfen kann. Er ist darin ganz eine Figur der Neuzeit: Knapp, klar und objektiv versucht er mit einem Problem umzugehen. Es geht ihm dabei darum, alle inneren Regungen, Gedanken und Gefühle unvoreingenommen zuerst wahrzunehmen und dann abzuwägen.
Die zentrale Frage lautet für ihn: Führt mich das Ergebnis meiner Entscheidung mehr zu Gott? Wenn Gott – wie Christen glauben – die Freiheit aller Menschen will, kann diese Frage auch lauten: Führt mich das Ergebnis meiner Entscheidung zu mehr Freiheit? Bei welcher Alternative kann ich mich durch die Entscheidung in einem größeren Maße dem zuwenden, was für Jesus die Essenz des Glaubens ist, nämlich der Liebe zu Gott, zu Anderen und zu mir selbst? Führt also meine Entscheidung zu einer größeren Freiheit für mich und Andere? Würde ich diese Entscheidung, wenn ich vom Ende meines Lebens zurückblicke, noch einmal genauso treffen?
Auch entgegengesetzte Tendenzen wie übermäßige Selbstbezogenheit oder egoistisches Machtstreben verkleiden sich so, als ginge es dabei um ein größeres Gut. Dabei bin ich niemals völlig unabhängig von Anderen. Eine Vermehrung meiner Freiheit, die auf Kosten der Freiheit Anderer geht, kann nicht zu mehr Glaube, Hoffnung und Liebe führen.
Manchmal führt das Zusammenleben in Freiheit und Frieden zu einem Verzicht auf etwas, das mir gefällt oder das ich mir wünsche. Dieser Verzicht ist nicht nur ein Verzicht auf Scheinbares, sondern kann zuweilen echte Einschränkung bedeuten.
_Gott um den Geist einer guten Entscheidung zu bitten, bedeutet, um klare Sicht und Wahrnehmung der eigenen bewussten und unbewussten Regungen und Erregungen zu bitten.
_Es bedeutet, um die Kraft zu bitten, fremden und eigenen Bedürfnissen angemessen zu begegnen.
_Um gute Entscheidungen zu bitten, bedeutet, dass wir glauben, dass Gott nicht die Durchsetzung von Freiheit von uns verlangt oder prüft, wie gut wir das schon können.
_Im Letzten bedeutet es, dass er die Freiheit ist, die er uns schenken will, und wir darauf vertrauen, dass sein Geist das immer wieder tut.
Jakob Mertesacker
Referent für die Fachbereiche am Campus Westend der Goethe-Universität
#Geististgegenwärtig
In der Fastenzeit gibt es hier immer wieder Gedanken zu den Gaben des Heiligen Geistes – Ideen und Impulse zu Vielfalt, Begabungen und dazu, warum unsere Unterschiedlichkeit das Leben bereichern kann. #Geististgegenwärtig – auch und gerade in Zeiten von Klimawandel, gesellschaftlicher Spaltung und Krieg.
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